»Ich erlebe Mitarbeitende mutiger und engagierter als zuvor«


© Fotos Bernhard Müller
Interview mit Angela Glechner, Intendantin SZENE Salzburg
Die SZENE Salzburg veröffentlichte im Frühjahr 2025 ihre erste Gemeinwohl-Bilanz. Kurz nach der Sommerszene im Juni 2025 traf GWÖ-Beraterin Isabella Klien, die das SZENE-Team im Bilanzierungsprozess begleitete, Intendantin Angela Glechner auf ein Gespräch. Es ging um den Reiz der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ), die Erkenntnisse im Bilanzierungsprozess und den Beitrag von Kulturbetrieben in der Nachhaltigkeitstransformation.
Was gab den Anstoß zur Gemeinwohl-Bilanzierung?
Die Impulse kamen aus dem Team. Anlass war der Bilanzierungsprozess der ARGEkultur Salzburg, mit der wir laufend im Austausch sind. Die Geschäftsführer*innen hatten uns schon vor Corona immer wieder von ihren Erfahrungen bei der Bilanzierung berichtet und unser Interesse geweckt. Besonders die Frage „Wie leben wir unsere Werte?“ hat uns sehr getriggert.
Der richtige Zeitpunkt, uns ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen, kam mit dem Coronaloch. Da war es plötzlich möglich, uns außerhalb des Tagesgeschäftes intensiv mit der GWÖ zu beschäftigen.
Wie wichtig war es, dass bereits ein anderer Salzburger Kulturbetrieb bilanziert hatte?
Dass es mit der ARGEkultur schon einen Referenzbetrieb in der Branche gab, der begeistert war und die GWÖ-Bilanzierung sinnvoll fand, war sehr wichtig für uns und gab den finalen Anstoß. Durch dieses „Role Model“ wussten wir, dass die Bilanzierung nicht nur für KMUs funktioniert sondern auch für einen Kulturbetrieb. Besonders gefiel uns die Aussicht, gemeinsam einen internen Blick auf unser Unternehmen zu werfen.
Worin liegt der besondere Reiz der GWÖ?
Nachhaltigkeits-Siegel wie z.B. Green Events fokussieren stark auf konkrete Umsetzungsmaßnahmen. An der GWÖ ist das Besondere, dass sie größer denkt, dass es um eine Werteorientierung geht und neben der ökologischen Nachhaltigkeit die soziale und wirtschaftliche Nachhaltigkeit eine ebenbürtige Rolle spielen. Wir haben es hier mit einem ethischen Wirtschaftsmodell zu tun, bei dem es nicht nur darum geht, zB die Höhe der Krankenstände zu erfassen, sondern diesen Ist-Zustand unter die Lupe zu nehmen, ehrlich darauf zu schauen und gemeinsam zu überlegen, was dagegen gemacht werden kann.
Ist es in einem liberalen Umfeld wie der Kultur überhaupt notwendig, sich die GWÖ-Brille aufzusetzen?
Es stimmt, wir bewegen uns in einem sehr liberalen Umfeld, und dennoch haben uns die letzten Jahre u.a. mit #MeToo in der Kunst und Kultur gezeigt, wie wichtig es ist, diese ethischen Aspekte zu berücksichtigen. Das ist für mich einer der großen Pluspunkte der GWÖ.
Wir setzen uns intern die Brille für die Themen auf, die auf der Bühne verhandelt werden. Ein sehr interessanter Prozess war zB das EU-Projekt „Feminist Futures“, bei dem mögliche Machtstrukturen in Institutionen – somit auch der eigenen – durchleuchtet wurden. Oder wenn wir während der Bilanzierung im Team gleichberechtigt darauf geschaut haben, wie es bei uns um die gelebten Werte steht, kamen viele Verbesserungspotenziale ans Licht. Und darum geht es ja letzten Endes.
Was hat sich durch den Bilanzierungsprozess verändert?
Das Team wurde empowert. Sie bringen sich stärker ein und gestalten noch mehr mit. Durch die Themen der Matrix wurden Themen neu und anders besprechbar. Es ist schön zu sehen, wie sich die Mitarbeitenden immer wieder auf den GWÖ-Bericht berufen, in dem die Dinge schwarz auf weiß festgehalten sind. Der Prozess hat Inhalte in den Vordergrund gebracht, und diese sind im Vordergrund geblieben. Die Integration der Mitarbeitenden und ihr Miteinander wurde gefördert. Ich erlebe sie nun mutiger und engagierter als zuvor.
Wir wurden für Themen wie Mobilität und Verpflegung der Künstler*innen sensibilisiert. Darüber hinaus haben wir für die Verhältnismäßigkeit unserer Ausgaben ein höheres Bewusstsein bekommen: Ist es ein gutes Verhältnis, wenn der Transport des Bühnenbildes mehr kostet als die Gage der Künstler*innen ausmacht?
Apropos Künstler*innen: Unser Austausch mit ihnen bezüglich der Gemeinwohl-Themen fällt auf fruchtbaren Boden. Sie reagieren positiv auf unser Engagement wie zB Mülltrennung im Backstage-Bereich und Verwendung regionaler, saisonaler Produkte beim Catering. Da ist schon viel Bewusstsein vorhanden.
Zum Schluss ein Ausblick: Wie sehr prägt Nachhaltigkeit den Kulturbetrieb der Zukunft?
Kultur kommt an ganzheitlicher Nachhaltigkeit – die Bandbreite reicht von Diversität über Barrierefreiheit bis hin zu leistbarer Kultur für alle Bevölkerungsschichten und ökologisch nachhaltigen Produktionen – nicht mehr vorbei. Die Kulturbetriebe brauchen Nachhaltigkeit für ihre Zukunftsfähigkeit.
Hervorheben möchte ich, dass wir als Kulturbetrieb andere Möglichkeiten haben, Inhalte zu vermitteln und Zielgruppen anzusprechen als ein „normales“ Unternehmen sie hat. Abschließend ein Beispiel, das uns sehr am Herzen liegt. In unserem „Young Vibes Programm“, das wir für ein junges Publikum entwickelt haben, schärfen wir bei den jungen Menschen das Bewusstsein für Partizipation, Teilhabe und Ermächtigung. Wir fördern Mut für eigene Meinung und eigenes Tun – quasi eine Fortbildung in gelebter Demokratie. Genau das braucht unsere Gesellschaft heute und in Zukunft dringend. Dafür leisten wir gerne unseren Beitrag.
Eine Beschreibung der Nachhaltigkeitsaktivitäten der SZENE Salzburg sowie Links zur farbenprächtigen Online-Version und farbreduzierten Druckversion der Gemeinwohl-Bilanz sind hier zu finden: Szene Salzburg